Samstag, 30. August 2014

Ohinetahi, Govenors Bay, Christchurch, Neuseeland

Haupthaus mit Nektarinenbäumchen (Prunus persica var. nucipersica)
Nach Ohinetahi fahren bedeutet zunächst eine Weltreise nach Neuseeland ans Ende der Welt zu machen. In Christchurch auf der Südinsel angekommen, fährt man durch Vororte den Berg hinauf und kommt ganz oben auf einer Passhöhe an, die einen berauschend schönen Blick zurück auf die Stadt Christchurch und die Ebene von Canterbury bietet, aber gleichzeitig auch auf der anderen Seite einen Blick hinunter in das vom Meer überspühlte Kraterbecken und die umherlaufenden Felsenketten freigibt. Was eine Blick! 






Zufahrt Ohinetahi mit Agapanthus rechts
Man fährt noch ein paar Meilen eine Serpentinenstraße hinunter und kommt dann an eine unscheinbare Einfahrt links, fährt hinein und einen schmalen Fahrweg hinunter. Rechts blüht eine lange Reihe von Aganpanthus und links steht eine gemischte Hecke mit Rotbuchen und anderen Heckengewächsen in verschiedenen Grüntönen. Man weiß gleich, dass man richtig abgebogen ist, denn das sieht schon sehr nach gestaltetem Garten aus.





Haupthaus Ohinetahi mit Norfolk Tanne oder Zimmertanne (Araucaria heterophylla)
Kurz darauf verschlägt es einem erst einmal die Sprache, ob des wunderschönen Ausblicks, der sich am Ende der Auffahrt zum Meer auftut. Tief türkisblaues Wasser weit unten, grün eingerahmt durch Vegetation an den beiden Ufern der Bucht und gleich links steht das bezaubernde koloniale Landhaus aus beigen Sandsteinen mit umherlaufender Veranda, weißem Geländer und hellgrün-glänzenden großblättrigen Bergenien vor der Haus. Das ist auch für einen geübten Gartenbesucher und Reisenden zu viel auf einmal! Gibt es ein Gartenparadies denn wirklich? Ich zweifele sofort an meinem Garten Design Diplom, das ich erworben habe und glaube an den ´genius loci` und an die Spiritualität eines Ortes.

Der Ort bietet aber noch viel mehr, nämlich einen genial erfundenen Garten, der mit seinen Pflanzen ein Paradies auf Erden errichtet und im besten Sinne des deutschen Botaniker Karl Förster die Seele anspricht. Wenn ich diesen zitieren darf:

Die Blume erweist sich als größerer Pionier eines neuen Verhältnisses zwischen Welt und Seele, als wir ahnen. Es gehen unvorstellbare Wirkungen von Gärten und Blumen aus.
(Karl Foerster 1874 – 1970)

Blick auf Govenors Bay mit Agapanthus Bepflanzung

Die Wirkung von Ohinetahi ist für mich, zurück in Europa, immer noch fühlbar. Denn die Ästhetik und Schönheit des Ortes prägt sich sogleich ein, wenn man um das Haus geht und den eigentlichen Garten betritt. Er besteht im Grunde nur aus zwei kreuzförmig anlegten Achsen, die sich in der Mitte vor dem Haus treffen und um die herum alles logisch und fließend, formal und informal, gestaltet und wild, altmodisch und modern, kreativ schöpfend und zitierend, fest und schwankend, geschützt und offen aufgebaut ist.




Gartenpavillon mit Staudenbeet
Auf dem großen Rasen stehend fällt zunächst die eine Hauptachse mit einem Gartenpavillon ins Auge. Dieser steht am Ende von parallel angelegten Staudenbeeten (Borders) und nimmt mit seiner filigran geschwungenen Form die Leichtigkeit der Stauden auf. Die Staudenbeete sind mit mehrjährigen Stauden und Gras bepflanzt und in der Farbgebung traditionell lila, blau, rosa (zarte, gemischte Töne) und verschiedenen Blattfarben (silber, grün, wenig dunkelrot) gehalten.





Blick zurück aus dem Gartenpavillon zum Haupthaus
Die Staudenbeete werden eingerahmt von immergrünen Hecken, hier Taxus baccata und bekommen dadurch Schutz vor Wind und Wetter. Gleich links dahinter befindet sich der nächste Gartenraum, der durch die andere Hauptachse erschlossen wird, die rechtwinklig vom Hauptweg abgeht.
 
 
 
 
 
 
 


Walled Garden
Geht man auf dieser Querachse durch einen kleinen, steinernen Eingang, steht man in einem formalen viereckigem Garten, dem sogenannten Walled Garden, der eigentlich der Farbe Rot gewidmet ist und mit rotblühenden und dunkelrot/blaurot belaubten Pflanzen spielt (rotblättrige Dahlien, Berberitzen, Lobelien, Heucheria, eine rotblühende Rose, wohl ´Parkdirektor Riggers`, rotblühende Montbretien, silberblättrige Olivenbäume und grüner Buchs als Rahmen). Die Pflasterung ist mit roten Backsteinen wunderschön gearbeitet. Ein altes Taufbecken definiert die Mitte des Gartens und hält das Muster aus formgeschnittenen Buchshecken und rotblühenden Stauden bzw. rotbelaubten Hecken. Das Ganze kann von einem direkt angrenzenden Gartenturm von oben besichtigt werden und hat so einen wirklich dreidimensionalen Ausdruck.
 
Aussichtsturm im Walled Garden
Bepflanztes Taufbecken
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Treppenaufgang mit Säulen
Geht man die Querachse weiter, betritt man Treppen und kommt durch einen italienisch anmutenden Säulengang hinauf auf längslaufende kleinere Terrassen, die einem Thema oder einer Pflanzengattung gewidmet sind, z.B. frühsommerlichen Pfingstrosen (Paeonia spp.). Klassischer, figürlicher Schmuck aus Löwen und Sphinxen passen auf das Ganze auf und zitieren europäische Gartentraditionen.
 
 
Blick zurück von Säulenaufgang zum Haupthaus und Meer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Lime Avenue  - Lindenallee
Gerade in diesem Moment muss ich dann auch schon schmunzeln, denn was machen hier die genialen Gartenschöpfer? Auf einer dieser Terrassen zitieren sie einen anderen Lieblingsgarten von mir, und ich glaube nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen Gartenenthusiasten, nämlich Lawrence Johnston´s Hidcote in Gloucestershire, England. Sie waren bekennender maßen da und haben die Pflanzabstände der berühmten Lindenallee im dortigen ´Stilt Garden` mit dem berühmten Heaven´s Gate  abgemessen: 3,50 m im Abstand, um das Geheimnis zu verraten! Hier auf der Südinsel von Neuseeland über 10.000 km entfernt von Hidcote wirken die Linden genauso schön und passend! Sie eröffnen den Blick nicht auf die weite Landschaft und den Himmel über den Cotswolds, aber auf die nicht minder schönen Berge und Felsen von Governors Bay. Am Ende der Lindenallee befindet sich dann noch ein Rondell, das den strikten geraden Raum öffnet und mit einer schwebenden Plastik von oben herab geprägt wird.
 

Schwebende Kugel über dem Endrondell nach der Lindenallee
 
Überhaupt ist der Garten voller kleiner Kunstgegenstände, Statuen und hat sogar eine kleine moderne Galerie. Die Gartenschöpfer Sir Miles Warren, zusammen mit seiner Schwester, der Künstlerin Pauline Trengrove und ihrem Eheman, dem Architekten John Trengrove, haben hier ihren Traum Wirklichkeit werden lassen und ein Gesamtkunstwerk geschaffen.



 
Auch botanische Raritäten sind zu entdecken, wie z.B. Ulmus carpinifolia variegata, die in Europa heimische Feldulme, die infoge des Ulmensterbens hier fast nicht mehr ausgewachsen vorkommt. In Ohinetahi steht sie ausgewachsen und sogar variiert mit cremeweiß gesprenkelten Blättern!

 
 
Treppenaufgang mit Formschnitt Buchsbäumchen
Geht man nun weiter bergan auf der Querachse, dann kommt man über den Fahrweg, auf dem wir angekommen sind, zu einer Treppenanlage, die mit Formschnitt Buchsfiguren, ähnlich denen in Great Dixter, und einem modernen Kunstwerk abgeschlossen wird. In einem dreieckigen Grundriss, der zwischen der Treppe, dem Gemüsegarten und dem Fahrweg gefangenen ist, haben die Gartengestalter vor kurzem, auch gerade im Hinblick auf die in Mode gekommenen neuseeländischen ´native plants`, ein Formschnitt-Beet mit vier verschiedenfarbigen einheimischen Buscharten wie z.B. Corokia spp. angelegt. In einem  mäandernden, kunstvoll geschnittenen, modernen Muster verschränken sich verschiedene Blattfarben und Buschformen miteinander. Geniales Design auf schwierigem Grundriss.
Moderne Heckenskultpur mit einheimischen neuseeländischen Büschen
 u.a. Corokia cotoneaster
 
 
Geht man den ganzen Weg nach unten zurück, kommt man über die Hauptachse vorbei zu einer Hängebrücke, die die Querachse fortführt und auf die andere Seite des Gartens über ein kleines, schattiges Tal führt. Das Tal wird links von einem Weg begleitet und ist naturnah mit einheimischen Pflanzen gestaltet und am Ende mit einem kleinen aufgestauten Teich versehen. Dort gibt es dann auch eine Hosta-Sammlung und riesige Gunnera manicata, die zurück in den formellen Garten überleiten.  
Hängebrücke über Seitental
Weg ins Tal


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nach der Brücke rechts kommt man zunächst durch die Sammlung einheimischer Pflanzen und einen kleinen Wald. Am Ende dieses Weges steht unverhofft auf einem elliptischen Grundriss ein nach Maori Art geschnitzter Holzbalken aufrecht da, den man umrunden muss, um dahinter dann einen weiteren Höhepunkt des Gartens zu entdecken. Einen vom Wald gerahmten Ausblick auf die Govenors Bay mit einem Geländer, das wie an einem Schiffsbug spitz zuläuft. Farben und Formen sind so beeindruckend, dass es lange braucht, bis man sich satt gesehen hat und sich aus diesem Eindruck lösen kann.
Endpunkt des Rundgangs mit Kunstwerk
und blühender Cordyline australis
Ausblick auf Bay über Schiffsreling

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zurück über die Brücke kommt man wieder zum Rasen. Dort findet man eine formale Sitzbank mit flankierenden roten Granitsäulen, die den Rasenraum abschließt und zum Rosengarten überleitet. Dieser zitiert nochmals die europäische formale Gartentradition und verknüpft den Raum zwischen Haus, Galeriegebäude und Rasen genial. 

 

Bank mit roten Granitsäulen und zwei gelb belaubten Robinia pseudoacacia 'Frisia'

 
 
 
Rosengarten mit Bergblick
Formaler Teich
Die in weiß und creme gehaltenen Rosenbeete sind durch schmale Wege erschlossen und stehen auf rechteckigen Grundrissen. Buchshecken mit rechteckigen und kugelförmigen Ecken und die Backsteinwege bilden ein regelmäßiges Muster. Mit dem anschließenden formalen Teich wird der Rosengarten aufgelockert und bekommt durch den kleinen Brunnen Leben.

Rosengarten mit Gästehaus



 
 

Veranda mit Corokia Hecke
(corokia x virgata 'geenty's green')
Interessant ist auch die umlaufende Sockelbepflanzung der Veranda mit einer silberblättrigen Corokia, die das Haus mit dem Garten wunderschön verbindet und einen natürlichen Übergang der Baumasse zum formellen Rosengarten bildet.
 
 
 
 
 
 

 
 
 
Amphitheater mit alten Haussteinen
Geht man weiter weg vom Haus zum neuen Teil des Gartens, der nach dem schweren Erdbeben von 2010 errichtet wurde, sieht man zunächst eine in fließenden Linien gehaltene, moderne Bepflanzung aus neuseeländischen Büschen und mehrjährigen Stauden. Darin eingebettet wurde ein Amphitheater, das mit den schönen beigen Sandsteinen des Landhauses gebaut wurde. Die Steine stammen vom im letzten großen Erdbeben teilweise eingestürzten Haupthaus, das nur bis zum ersten Stock wieder aufgebaut wurde. Die Steine blieben übrig und fanden eine neue Verwendung. Der Blick schweift über die Governors Bay und die Farbenpracht umher. Zurück am Haus ist man beeindruckt und reiht den Garten ein in die Liste der bedeutendsten Gärten der Welt.

Der Garten ist unbedingt eine Reise wert. Wegen der Staudenbeete ist ein Besuch im neuseeländischen Sommer, also von November bis Februar, am eindrucksvollsten. Meine Besuche waren am 11.1. und 7.2.2014.
 


Abschied mit Blick auf Govenors Bay
 

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