Sonntag, 27. Juli 2014

Schlossgarten Schwetzingen, Baden

Der Schlossgarten Schwetzingen ist ein Gartenparadies von internationalem Rang. Der Garten erstaunt  durch seine besondere Gliederung noch heute den unvorbereiteten Besucher, der durch das mittlere Schlosstor hindurchtritt und durch die schiere Größe des  Gartenparterres und wegen des weiten Himmels darüber ergriffen stehen bleibt und in die Ferne schaut. Man ist ergriffen, staunt, begreift die Unendlichkeit von Raum, ist von Licht und Farbe umgeben, vom Alltag entfernt. Genau das ist der magische Moment, den eine geniale Gartenschöpfung  abhebt und unterscheidet  von herkömmlichen Parks und Grünanlagen.


Der Eindruck wird noch durch das nördliche und südliche Zirkelhaus verstärkt, die dem Garten eine halbkreisförmige Einfassung geben. Im Westen wird diese Einfassung dann von Laubengängen (Berceaux de treillage) gespiegelt, so dass ein kreisförmiger Rahmen entsteht.

Ein Gartentheater in größtem Maßstab, das mit den Elementen spielt: Himmel, Wasser, Erde, vertreten durch ornamentale Kies- und Pflanzenlandschaften.
Der Garten hat eine Fülle von weiteren hochkarätigen Räumen, Bauten, Wasserfeatures zu zeigen. Sogar eine Moschee mit türkischem Garten wurde als exotischer Gartenschmuck errichtet. Am nördlichen Zirkelhaus wurde ein Rokokotheater von internationalem Rang angebaut und über den ganzen Garten kunstvolle Statuen und Fontänen verteilt.  

Darüber hinaus, um dies alles noch zu übertreffen, hat Kurfürst Carl Theodor (1724-1799) einen zauberhaften Garten im Garten, nur für sich und seine engsten Gäste, einbauen lassen, der mit dem Badehaus, dem Vogelbad , dem Apollotempel und dahinterliegendem Naturtheater geniale Schöpfungen des Rokoko auf engstem Raum verbindet.
Der noch junge barocke Garten wurde schließlich durch den jungen Architekten Ludwig von Sckell, dem Sohn eines Schwetzingen Hofgärtners, mit einem Englischen Garten und einem Arboretum in den 1770ger Jahren ergänzt und glücklicherweise nicht überformt.  Eine geniale Leistung, die den gesamten Garten einen weiteren historischen Superlativ hinzufügt, nämlich einer der ersten englischen Landschaftsgärten auf deutschen Boden zu sein. 



Der Rundgang beginnt also am Schloss. Auf jeder Seite der vier zur Mittelfontäne führenden Hauptwege stehen zwei Reihen von Linden, deren Kronen kegelförmig in Form gehalten werden. Das barocke Kreisparterre wurde seit den 1990ger Jahren Schritt für Schritt zurückversetzt und die späteren „Begrünungen“ und Überformungen mit Rasen und ausgewachsene Alleebäume entfernt. Der Gartendenkmalschutz hat hier zurecht eine ältere Fassung wiedererstehen lassen, da nur diese den Zauber des Gartens vollständig zeigen kann und auch die erhaltenen barocken Elemente wieder miteinander verknüpft, ja gar erst wieder zum Strahlen bringt! Besonders sind hier die Blumenbeete und bekiesten Ornamente zu nennen, die mit den blickführenden Alleebäumen die Wasserbecken und Fontänen betonen und als Einstimmung und Hinführung sowohl für den türkischen Garten, aber vielmehr noch für das Naturtheater mit Apollotempel und die Badehausanlage, dienen.

Die Bäume sind historisch richtig für einen spätbarocken Garten nicht mehr in Kastenform, sondern vielmehr schon in einem die jungendliche Form bewahrenden kegelförmigen Schnitt gehalten und bilden so einen weicheren Rahmen.




 
Geht man an der Mittelfontäne nach rechts, gelangt man zum Rokokotheater und sieht daneben haushohe offene Lindenlauben, die in Ihrer Monumentalität beeindrucken und fast modern skulptural wirken. Daneben sieht man ein wenige Meter abgesenktes rechteckiges Gartenparterre vor der neuen Orangerie. Dieser Orangeriegarten ist mit einem Wassergraben umgeben und mit Kübelpflanzen und einer farbigen Rabattenbepflanzung eher zurückhaltend arrangiert. Dies ist jedoch notwendig, um einen Puffer zum folgenden privaten Gartenparadies von Carl Theodor zu erhalten. Denn der Rückzugsort des Kurfürsten war nur diesem und ausgewählten Güsten zugänglich und braucht gerade deshalb die Abgeschiedenheit von der Hauptachse des Parks und vom Schloss. Der Orangeriegarten erinnert an einen flämischen Wassergarten mit seinem umlaufenden Kanal und weißen Holzbrücken und wird durch die mit rotem Bundsandstein errichtete Orangerie wunderschön eingefasst.

Durch einen unscheinbaren Heckendurchlass gelangt man danach zu einem Naturtheater, das den Blick auf einen atemberaubenden Apollotempel freigibt, der diese Baumlichtung dominiert.  Er steht auf einem verdeckten Fundament, das eine Grotte enthält und wird durch ein Wasserfeature mit dem davor etwas niedriger liegenden Naturtheater verbunden. Dabei ist die formelle Folge von Kaskaden ein belebendes Element in der ansonsten ästhetisch und räumlich ruhig und geborgen gehaltenen Komposition. Die Formen der Grundrisse und Ornamente des Rasens, der Treppen und Mauern sind elegant im ´style rocaille`, dem Rokokostil, gearbeitet und passen sich an die umgebenden Naturmuster in einer Weise an, die an modernes, fließendes, natürliches Design erinnert.  


 
 
Eine komplexe Komposition mit Rhythmus und Balance durch Hecken, Treppen, verschiedenen Ebenen, Säulen und Figuren, Spannungs- und Entspannungsmomenten in der Linienführung, Farben, Licht und Schatten, Geräuschen des Wassers und Ruhe des umgebenden Parks.  
 
Mit diesem Kosmos durch verschlungene Wege mit  Buchenhecken verbunden, ist ein Wohnhaus des Kurfürsten, Badehaus genannt, weil es ein großes Badezimmer enthält. Das Haus war ein privater Rückzugs- und Wohnort des Kurfürsten, bezaubernd vom Grundriss und der Ausstattung innen, aber noch viel schöner von seiner äußeren Gestalt. Ein großer Gartenpavillion mit seitlichen Anbauten. Einladend und unaufgeregt, ein privater Ort. Carl Theodor verknüpft in seinen Rückzugsorten Innen und Außen, eigentlich eine moderne Idee, indem er das Naturtheater und das Vogelbad um sein Wohnhaus herum gruppiert und diese Räume (und Gartenräume!) miteinander organisch verknüpft. Das Vogelbad ist eine Pergola ähnliche Außenschöpfung des Rokoko, verspielt, herrlich fließende Linien mit einem Zweck: Der Lebensfreude Raum zu geben durch eine gekonnte Mischung aus Voliere, intimen schattigen Sitzgelegenheiten unter einer Pergola, Wasserspielen und einer künstlichen theatralischen Perspektive zum Ende der Welt, die einen magischen Ort hier und dort generiert.
 

Davon abgehen ist ein ummauerter bekiester Innenhof in klassischen rechtwinkeligen Proporzionen (ideal für eine Feier im Freien) und ein wunderschön vergoldetes schmiedeeisernes Einlasstor, das den Garten im Garten abschließt.

Wenn man danach das nördliche und südliche Angloise und das jeweils daran anschließende nördliche und südliche Boskett betritt (das sind die auf das Kreisparterre folgenden, halbrunden und dann rechteckigen Gartenabteile mit geometrischen Wegen, Hecken und Laubengängen), beruhigen sich die Sinne wieder und man kann sich entspannen. Jedoch ist diese Entspannung nur von kurzer Dauer, denn auch dort sind höchst interessante Gartenfeatures eingestreut. Ein Hirtengott Pan auf dem Felsen mit langsam herab rinnenendem Wasser ist ein meditativer Ort und erdet die Stimming. Introvertiert geht man weiter.

 
  






Ein weiteres Vogelbad folgt mit einer im Boden schlangenförmig
laufenden Wasserrinne. Ein Tempel der Minerva und weitere Figurengruppen machen den Weg abwechslungsreich und ziehen den Besucher weiter.














Am anderen Ende, diagonal entgegengesetzt zum Badehaus, liegt dann ein weiterer Höhepunkt der deutschen Gartenarchitektur. Überraschend steht man vor einer Moschee mit weitläufigen Anbauten, die einem Kreuzgang ähneln und einem Türkischen Garten. Die Moschee spiegelt sich im dahinter liegenden informell angelegten See  und lässt die Gedanken zwischen der realen ´Scheinwelt` einer Moschee in Baden und der irrealen Spiegelwelt schweifen. Ein höchst amüsantes Spiel. Ein exotischer Themenpark wie sich das 18. Jahrhundert ihn vorstellte. In der Moschee wurde nie eine religiöse Zeremonie durchgeführt, vielmehr wurde diese im Sinne des Lessing´schen Weltgeistes verstanden.
Der umherlaufende Garten ist mit einem modernen kurvenreich fließenden Weg und mit Stauden- und niedrigen Gehölzen gestaltet und macht den  Eindruck eines modernen Landhausgartens.

Der anschließende Englische Garten von Sckell und der ruinenhafte Merkurtempel um den großen Weiher herum verzahnen den Garten mit der umliegenden Natur aus Feldern, Äckern und Wäldern. Ein genialer Übergang von den verschiedenen Designs aus formellen und informellen Traditionen auf die umliegende Natur.
 
Der Park ist wegen seiner besonderen Raumwirkling immer einen Besuch wert, natürlich sind die Parterres mit Blumen wie auch die den Rahmen bildenden Hecken aus Buche, Hainbuche und Lindenbäumen im Sommer (mein Besuch war am 21. und 22.05.2014) am eindrucksvollsten.
 

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