Sonntag, 6. Juli 2014

Wrest Park, Bedfordshire, England

Wrest Park,  Bedfordshire, England
03.07.2014
Wrest Park ist ein typischer Englischer Landsitz, der auf einem großen ebenen Grundstück errichtet wurde und eine über 300jährige Geschichte aufweist, die man am Garten ablesen kann. Der Garten hat wegen Überformungen, das sind bauliche Änderungen über die Jahrhunderte, ein gemischtes Erscheinungsbild und ist gartenhistorisch sehr interessant. Leider wirken die leeren barocken Parterres, die das 19. Und 20. Jahrhundert in Rasenlandschaften umgeformt hat, eher langweilig und lassen den barocken Charakter nur noch erahnen.

 
English Heritage, eine Regierungskommission für historische Gebäude und auch Gärten, betreut den Garten seit wenigen Jahren professionell und bemüht sich mit einem Masterplan den Garten in Teilen zu rekonstruieren. Interessant sind die Entscheidungen, welche zeitliche Ausprägung jeweils hergestellt werden soll. Denn gartenhistorisch ist es manchmal ratsam, die Dinge im Boden ruhen zu lassen und eine spätere Prägung des Gartens zu erhalten. Eine generelle Richtschnur kann es dabei nicht geben, da jeder Garten andere Entwicklungen durchlaufen hat und die erhaltenen Features immer auch eine Richtschnur geben, welcher zeitliche Rahmen denn in welchem Teil des Parks erhalten oder zurückversetzt werden soll. Das führt manchmal zu für den Laien nicht überzeugenden Ergebnissen, die unspektakulär daher kommen und wie hier die barocken Parterres nicht wiederherstellen, sondern die Fassungen des 19. Und 20. Jahrhundert erhalten.

 

  
Im Einzelnen hierzu: Den Garten betritt man durch eine große, mehrgliedrige Anlage eines Walled Gardens, in den hinein von English Heritage ein modernes Besucherzentrum und ein Kinderspielplatz integriert wurde. Nicht störendes modernes Design eines Kinderspielplatzes und die funktionalen Gebäude des Besucherzentrums werden geschickt an die hohen Mauern angelehnt und ästhetisch integriert.
 
Geht man nun durch die Maueröffnung in Richtung seitliches Haupthaus trifft man auf einen italienischen Garten im Stile des späten 19. Jahrhunderts, der sowohl von seiner Struktur (das Beetmuster ist bezaubernd mit Naturrandsteinen gearbeitet) als auch mit seiner Bepflanzung überzeugt. Die Pflege ist tadellos. Der Garten verbindet sich ideal mit dem im französischen Stil des 19. Jahrhunderts errichtetet Haupthaus und ist mit bunten Annuals (einjährige Pflanzen) in sich wiederholenden Mustern bepflanzt. Das sich an das Haupthaus anschliefende Glashaus verstärkt den Charakter einer farbigen Blumenoase noch und lädt zu erotischen Pflanzen im Inneren ein.
Unmittelbar an den Italienischen Garten stößt der Rosengarten an, der mit English Heritage Rosen, also alten Englischen Rosensorten arbeitet. Wie üblich sind die Farben bei dieser Tradition eher im Pastell-Spektrum und gedeckt. Es dominieren von Weiß ausgehend, Rosa über Magenta bis Mauve (Rot fehlt natürlich, da zu dominant und Blicke anziehend!), dann zart bis dunkel lila (wobei zu viel blau vermieden wird) und etwas gelb (geringer Anteil an Pflanzen) mit einigen gelb-apricot farbigen Rosen). Insgesamt ergibt sich ein sehr ausgewogenes zartes Farbspecktrum mit weichen Farben im Pastellbereich, die sehr bunt gemischt werden, aber immer einen harmonischen Gesamteindruck ergeben und unter dem nördlichen Sommerlicht herrlich leuchten.

Der Rosengarten ist schon auf einem Parterre seitlich vor dem Haupthaus angelegt und läuft parallel mit den zurückversetzten barocken Mittelparterres, die in schön gewundenen Formmustern des Barockes angelegt und bepflanzt wurden. Ornamentale Kiesflächen wechseln sich mit Buxheckenränder und farbigen Annuals ab und ergeben ein für das Auge anziehenden Kontrast zum Grün der umliegenden Rasenflächen.
 
 

Wobei wir bei dem exzellent gepflegten Rasen wären. Dieser ist als spätere Überformung der barocken Parterres größtenteils belassen worden und macht es für das heutige Auge etwas langweilig. Die Räumlichkeit der riesigen Gartenanlage wirkt immer noch, jedoch fehlt es am Kontrast, wie man an den wiederhergestellten barocken Parterres direkt vor dem Haupthaus sehen und natürlich an  anderen barocken Gärten wie Herrenhausen in Hannover studieren kann.

Wie oben beschrieben ist der Denkmalschutzansatz so ausgelegt, dass andere Parkstile, die im Laufe der Zeit realisiert wurden, nicht weniger wert sind und deshalb einfach weg zu restaurieren sind. Es ist vielmehr immer anhand der örtlichen Gegebenheiten zu fragen, ob es noch Sinn mach, hier zurückzubauen und ob genügend Spuren vorhanden sind, eine spezielle Fassung wiederzufinden. Zum Beispiel ist auch die Quellenlage historischer Dokumente entscheidend, die alte Pläne oder Beschreibungen enthalten und uns erst ein genaues Bilde der Anlage von vor 200 oder 300 Jahren geben.

Hier hat sich English Heritage entschieden, größtenteils die spätere Fassung beizubehalten und nur die Parterres ins Barock zurückzuversetzen, die noch als Blumenparterres enthalten waren, wenn auch mit Bepflanzungen und Formen des 19. oder gar 20. Jahrhunderts. Die Bepflanzungen und Muster wurden kürzlich geändert. Das Ergebnis überzeugt und kommt dem Haus und dem Garten sehr entgegen.
  
Sieht man nun die lange Blickachse hinab, fällte das Auge auf einen langen Mittelkanal und an dessen Ende auf einen wunderschönen Blickfang, einen Barocker Pavillon (Architekt Thomas Archer), der mit einer dominanten Kuppel am Ende der Achse steht. Dieses Gebäude ist das einzige barocke Hauptelement des Gartens, das noch vorhanden ist und wird als eines der wenigen englischen Hauptwerke des Barocks gelistet. In England dauerte der Barock nur von ca. 1690 bis 1730 und wurde schon früh von klassizistischen Formen abgelöst. Auf dem europäischen Kontinent hingegen wurde die barocke Formelsprache noch Jahrzehnte später benutzt. Blenheim Palace in Oxfordshire ist ein anderes erhaltenes Hauptwerk des Barocks in England.
 
 
 
Auf dem Weg zu den Pavillon säumen barocke Statuen den Weg, die etwas verloren auf dem Rasen stehen, da jegliche gestalterische Einbettung des Barocks fehlt.
 
 

 
 


Zu erwähnen bleibt noch die später im 19. Jahrhundert errichtete Orangerie und der sogenannte amerikanische Garten, der gerade neu angelegt wurde. Diese im seitlichen Teil neben der Hauptache gelegenen Parkfeatures sind im 19. Jahrhundert dazugekommen. Die im historistischen Stil erbaute Orangerie nahm die Orangen des französischen Königs auf.

Hinter diesem Ensemble verbirgt sich ein Kleinod. Am Rande des Parks ist das sogenannte Bowling Green House erhalten, das mit einem barocken Portikus, der überraschender Weise aus Holz vorgeblendet wurde, ausgestattet ist. Auf der Rückseite hat das Haus eine schlichte aber wunderschön mit Bögen gestaltete Fassade und schaut direkt auf die umliegende Landschaft mit Feldern. Steht man nun auf dem Rasen vor das Hauptfassade und schaut durch die geöffneten Türen des Bowling Hauses, dann sieht man die Landschaft dahinter und verbindet alle Elemente miteinander.
 
Sehr versteckt im bewaldeten, informellen Teil des Parks liegt der Hundefriedhof mit einer halbkreisförmigen Anordnung von Grabsteinen für die Haushunde der Familie.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Das Haupthaus im französischen Neobarock zeigt einen beeindruckenden Wohnraum der Countess de Grey und ist für Besucher geöffnet. Der Park ist im Sommer einen Besuch wert und zeigt mit der umgebenden Landschaft auch seine Landschaftsparkqualitäten, die u.a. Lancelot Brown in einer späteren Fassung mit erschaffen hat. 

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