03.07.2014
Wrest Park ist ein typischer Englischer
Landsitz, der auf einem großen ebenen Grundstück errichtet wurde und eine über
300jährige Geschichte aufweist, die man am Garten ablesen kann. Der Garten hat
wegen Überformungen, das sind bauliche Änderungen über die Jahrhunderte, ein
gemischtes Erscheinungsbild und ist gartenhistorisch sehr interessant. Leider
wirken die leeren barocken Parterres, die das 19. Und 20. Jahrhundert in
Rasenlandschaften umgeformt hat, eher langweilig und lassen den barocken Charakter
nur noch erahnen.
English Heritage, eine Regierungskommission
für historische Gebäude und auch Gärten, betreut den Garten seit wenigen Jahren
professionell und bemüht sich mit einem Masterplan den Garten in Teilen zu
rekonstruieren. Interessant sind die Entscheidungen, welche zeitliche
Ausprägung jeweils hergestellt werden soll. Denn gartenhistorisch ist es manchmal
ratsam, die Dinge im Boden ruhen zu lassen und eine spätere Prägung des Gartens
zu erhalten. Eine generelle Richtschnur kann es dabei nicht geben, da jeder Garten
andere Entwicklungen durchlaufen hat und die erhaltenen Features immer auch
eine Richtschnur geben, welcher zeitliche Rahmen denn in welchem Teil des Parks
erhalten oder zurückversetzt werden soll. Das führt manchmal zu für den Laien
nicht überzeugenden Ergebnissen, die unspektakulär daher kommen und wie hier
die barocken Parterres nicht wiederherstellen, sondern die Fassungen des 19. Und
20. Jahrhundert erhalten.
Im Einzelnen hierzu: Den Garten
betritt man durch eine große, mehrgliedrige Anlage eines Walled Gardens, in den
hinein von English Heritage ein modernes Besucherzentrum und ein
Kinderspielplatz integriert wurde. Nicht störendes modernes Design eines Kinderspielplatzes
und die funktionalen Gebäude des Besucherzentrums werden geschickt an die hohen
Mauern angelehnt und ästhetisch integriert.
Geht man nun durch die
Maueröffnung in Richtung seitliches Haupthaus trifft man auf einen
italienischen Garten im Stile des späten 19. Jahrhunderts, der sowohl von
seiner Struktur (das Beetmuster ist bezaubernd mit Naturrandsteinen gearbeitet)
als auch mit seiner Bepflanzung überzeugt. Die Pflege ist tadellos. Der Garten
verbindet sich ideal mit dem im französischen Stil des 19. Jahrhunderts
errichtetet Haupthaus und ist mit bunten Annuals
(einjährige Pflanzen) in sich wiederholenden
Mustern bepflanzt. Das sich an das Haupthaus anschliefende Glashaus verstärkt den Charakter einer farbigen Blumenoase noch und lädt zu erotischen
Pflanzen im Inneren ein.
Unmittelbar an den Italienischen
Garten stößt der Rosengarten an, der mit English Heritage Rosen, also alten
Englischen Rosensorten arbeitet. Wie üblich sind die Farben bei dieser
Tradition eher im Pastell-Spektrum und gedeckt. Es dominieren von Weiß
ausgehend, Rosa über Magenta bis Mauve (Rot fehlt natürlich, da zu dominant und
Blicke anziehend!), dann zart bis dunkel lila (wobei zu viel blau vermieden
wird) und etwas gelb (geringer Anteil an Pflanzen) mit einigen gelb-apricot
farbigen Rosen). Insgesamt ergibt sich ein sehr ausgewogenes zartes
Farbspecktrum mit weichen Farben im Pastellbereich, die sehr bunt gemischt
werden, aber immer einen harmonischen Gesamteindruck ergeben und unter dem
nördlichen Sommerlicht herrlich leuchten.
Der Rosengarten ist schon auf
einem Parterre seitlich vor dem Haupthaus angelegt und läuft parallel mit den
zurückversetzten barocken Mittelparterres, die in schön gewundenen Formmustern
des Barockes angelegt und bepflanzt wurden. Ornamentale Kiesflächen wechseln
sich mit Buxheckenränder und farbigen Annuals ab und ergeben ein für das Auge
anziehenden Kontrast zum Grün der umliegenden Rasenflächen.
Wobei wir bei dem exzellent
gepflegten Rasen wären. Dieser ist als spätere Überformung der barocken Parterres
größtenteils belassen worden und macht es für das heutige Auge etwas
langweilig. Die Räumlichkeit der riesigen Gartenanlage wirkt immer noch, jedoch
fehlt es am Kontrast, wie man an den wiederhergestellten barocken Parterres direkt
vor dem Haupthaus sehen und natürlich an anderen barocken Gärten wie Herrenhausen in
Hannover studieren kann.
Wie oben beschrieben ist der Denkmalschutzansatz
so ausgelegt, dass andere Parkstile, die im Laufe der Zeit realisiert
wurden, nicht weniger wert sind und deshalb einfach weg zu restaurieren sind. Es ist
vielmehr immer anhand der örtlichen Gegebenheiten zu fragen, ob es noch Sinn
mach, hier zurückzubauen und ob genügend Spuren vorhanden sind, eine spezielle
Fassung wiederzufinden. Zum Beispiel ist auch die Quellenlage historischer
Dokumente entscheidend, die alte Pläne oder Beschreibungen enthalten und uns
erst ein genaues Bilde der Anlage von vor 200 oder 300 Jahren geben.
Hier hat sich English Heritage
entschieden, größtenteils die spätere Fassung beizubehalten und nur die Parterres
ins Barock zurückzuversetzen, die noch als Blumenparterres enthalten waren, wenn auch mit
Bepflanzungen und Formen des 19. oder gar 20. Jahrhunderts. Die Bepflanzungen und Muster wurden kürzlich geändert. Das Ergebnis
überzeugt und kommt dem Haus und dem Garten sehr entgegen.
Sieht man nun die lange Blickachse
hinab, fällte das Auge auf einen langen Mittelkanal und an dessen Ende auf einen wunderschönen Blickfang, einen
Barocker Pavillon (Architekt Thomas Archer), der mit einer dominanten Kuppel am Ende der Achse steht.
Dieses Gebäude ist das einzige barocke Hauptelement des Gartens, das noch
vorhanden ist und wird als eines der wenigen englischen Hauptwerke des Barocks gelistet.
In England dauerte der Barock nur von ca. 1690 bis 1730 und wurde schon früh
von klassizistischen Formen abgelöst. Auf dem europäischen Kontinent hingegen
wurde die barocke Formelsprache noch Jahrzehnte später benutzt. Blenheim
Palace in Oxfordshire ist ein anderes erhaltenes Hauptwerk des Barocks in
England.
Auf dem Weg zu den Pavillon säumen
barocke Statuen den Weg, die etwas verloren auf dem Rasen stehen, da jegliche gestalterische
Einbettung des Barocks fehlt.
Zu erwähnen bleibt noch die später im 19. Jahrhundert errichtete Orangerie und der sogenannte amerikanische Garten, der gerade neu angelegt wurde. Diese im seitlichen Teil neben der Hauptache gelegenen Parkfeatures sind im 19. Jahrhundert dazugekommen. Die im historistischen Stil erbaute Orangerie nahm die Orangen des französischen Königs auf.
Hinter diesem Ensemble verbirgt
sich ein Kleinod. Am Rande des Parks ist das sogenannte Bowling Green House
erhalten, das mit einem barocken Portikus, der überraschender Weise aus Holz
vorgeblendet wurde, ausgestattet ist. Auf der Rückseite hat das Haus eine schlichte
aber wunderschön mit Bögen gestaltete Fassade und schaut direkt auf die umliegende
Landschaft mit Feldern. Steht man nun auf dem Rasen vor das Hauptfassade und
schaut durch die geöffneten Türen des Bowling Hauses, dann sieht man die
Landschaft dahinter und verbindet alle Elemente miteinander.
Sehr versteckt im bewaldeten, informellen Teil des Parks liegt der Hundefriedhof mit einer halbkreisförmigen Anordnung von Grabsteinen für die Haushunde der Familie.
Das Haupthaus im französischen
Neobarock zeigt einen beeindruckenden Wohnraum der Countess de Grey und ist für
Besucher geöffnet. Der Park ist im Sommer einen Besuch wert und zeigt mit der umgebenden
Landschaft auch seine Landschaftsparkqualitäten, die u.a. Lancelot Brown in
einer späteren Fassung mit erschaffen hat.
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