Samstag, 30. August 2014

Ohinetahi, Govenors Bay, Christchurch, Neuseeland

Haupthaus mit Nektarinenbäumchen (Prunus persica var. nucipersica)
Nach Ohinetahi fahren bedeutet zunächst eine Weltreise nach Neuseeland ans Ende der Welt zu machen. In Christchurch auf der Südinsel angekommen, fährt man durch Vororte den Berg hinauf und kommt ganz oben auf einer Passhöhe an, die einen berauschend schönen Blick zurück auf die Stadt Christchurch und die Ebene von Canterbury bietet, aber gleichzeitig auch auf der anderen Seite einen Blick hinunter in das vom Meer überspühlte Kraterbecken und die umherlaufenden Felsenketten freigibt. Was eine Blick! 






Zufahrt Ohinetahi mit Agapanthus rechts
Man fährt noch ein paar Meilen eine Serpentinenstraße hinunter und kommt dann an eine unscheinbare Einfahrt links, fährt hinein und einen schmalen Fahrweg hinunter. Rechts blüht eine lange Reihe von Aganpanthus und links steht eine gemischte Hecke mit Rotbuchen und anderen Heckengewächsen in verschiedenen Grüntönen. Man weiß gleich, dass man richtig abgebogen ist, denn das sieht schon sehr nach gestaltetem Garten aus.





Haupthaus Ohinetahi mit Norfolk Tanne oder Zimmertanne (Araucaria heterophylla)
Kurz darauf verschlägt es einem erst einmal die Sprache, ob des wunderschönen Ausblicks, der sich am Ende der Auffahrt zum Meer auftut. Tief türkisblaues Wasser weit unten, grün eingerahmt durch Vegetation an den beiden Ufern der Bucht und gleich links steht das bezaubernde koloniale Landhaus aus beigen Sandsteinen mit umherlaufender Veranda, weißem Geländer und hellgrün-glänzenden großblättrigen Bergenien vor der Haus. Das ist auch für einen geübten Gartenbesucher und Reisenden zu viel auf einmal! Gibt es ein Gartenparadies denn wirklich? Ich zweifele sofort an meinem Garten Design Diplom, das ich erworben habe und glaube an den ´genius loci` und an die Spiritualität eines Ortes.

Der Ort bietet aber noch viel mehr, nämlich einen genial erfundenen Garten, der mit seinen Pflanzen ein Paradies auf Erden errichtet und im besten Sinne des deutschen Botaniker Karl Förster die Seele anspricht. Wenn ich diesen zitieren darf:

Die Blume erweist sich als größerer Pionier eines neuen Verhältnisses zwischen Welt und Seele, als wir ahnen. Es gehen unvorstellbare Wirkungen von Gärten und Blumen aus.
(Karl Foerster 1874 – 1970)

Blick auf Govenors Bay mit Agapanthus Bepflanzung

Die Wirkung von Ohinetahi ist für mich, zurück in Europa, immer noch fühlbar. Denn die Ästhetik und Schönheit des Ortes prägt sich sogleich ein, wenn man um das Haus geht und den eigentlichen Garten betritt. Er besteht im Grunde nur aus zwei kreuzförmig anlegten Achsen, die sich in der Mitte vor dem Haus treffen und um die herum alles logisch und fließend, formal und informal, gestaltet und wild, altmodisch und modern, kreativ schöpfend und zitierend, fest und schwankend, geschützt und offen aufgebaut ist.




Gartenpavillon mit Staudenbeet
Auf dem großen Rasen stehend fällt zunächst die eine Hauptachse mit einem Gartenpavillon ins Auge. Dieser steht am Ende von parallel angelegten Staudenbeeten (Borders) und nimmt mit seiner filigran geschwungenen Form die Leichtigkeit der Stauden auf. Die Staudenbeete sind mit mehrjährigen Stauden und Gras bepflanzt und in der Farbgebung traditionell lila, blau, rosa (zarte, gemischte Töne) und verschiedenen Blattfarben (silber, grün, wenig dunkelrot) gehalten.





Blick zurück aus dem Gartenpavillon zum Haupthaus
Die Staudenbeete werden eingerahmt von immergrünen Hecken, hier Taxus baccata und bekommen dadurch Schutz vor Wind und Wetter. Gleich links dahinter befindet sich der nächste Gartenraum, der durch die andere Hauptachse erschlossen wird, die rechtwinklig vom Hauptweg abgeht.
 
 
 
 
 
 
 


Walled Garden
Geht man auf dieser Querachse durch einen kleinen, steinernen Eingang, steht man in einem formalen viereckigem Garten, dem sogenannten Walled Garden, der eigentlich der Farbe Rot gewidmet ist und mit rotblühenden und dunkelrot/blaurot belaubten Pflanzen spielt (rotblättrige Dahlien, Berberitzen, Lobelien, Heucheria, eine rotblühende Rose, wohl ´Parkdirektor Riggers`, rotblühende Montbretien, silberblättrige Olivenbäume und grüner Buchs als Rahmen). Die Pflasterung ist mit roten Backsteinen wunderschön gearbeitet. Ein altes Taufbecken definiert die Mitte des Gartens und hält das Muster aus formgeschnittenen Buchshecken und rotblühenden Stauden bzw. rotbelaubten Hecken. Das Ganze kann von einem direkt angrenzenden Gartenturm von oben besichtigt werden und hat so einen wirklich dreidimensionalen Ausdruck.
 
Aussichtsturm im Walled Garden
Bepflanztes Taufbecken
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Treppenaufgang mit Säulen
Geht man die Querachse weiter, betritt man Treppen und kommt durch einen italienisch anmutenden Säulengang hinauf auf längslaufende kleinere Terrassen, die einem Thema oder einer Pflanzengattung gewidmet sind, z.B. frühsommerlichen Pfingstrosen (Paeonia spp.). Klassischer, figürlicher Schmuck aus Löwen und Sphinxen passen auf das Ganze auf und zitieren europäische Gartentraditionen.
 
 
Blick zurück von Säulenaufgang zum Haupthaus und Meer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Lime Avenue  - Lindenallee
Gerade in diesem Moment muss ich dann auch schon schmunzeln, denn was machen hier die genialen Gartenschöpfer? Auf einer dieser Terrassen zitieren sie einen anderen Lieblingsgarten von mir, und ich glaube nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen Gartenenthusiasten, nämlich Lawrence Johnston´s Hidcote in Gloucestershire, England. Sie waren bekennender maßen da und haben die Pflanzabstände der berühmten Lindenallee im dortigen ´Stilt Garden` mit dem berühmten Heaven´s Gate  abgemessen: 3,50 m im Abstand, um das Geheimnis zu verraten! Hier auf der Südinsel von Neuseeland über 10.000 km entfernt von Hidcote wirken die Linden genauso schön und passend! Sie eröffnen den Blick nicht auf die weite Landschaft und den Himmel über den Cotswolds, aber auf die nicht minder schönen Berge und Felsen von Governors Bay. Am Ende der Lindenallee befindet sich dann noch ein Rondell, das den strikten geraden Raum öffnet und mit einer schwebenden Plastik von oben herab geprägt wird.
 

Schwebende Kugel über dem Endrondell nach der Lindenallee
 
Überhaupt ist der Garten voller kleiner Kunstgegenstände, Statuen und hat sogar eine kleine moderne Galerie. Die Gartenschöpfer Sir Miles Warren, zusammen mit seiner Schwester, der Künstlerin Pauline Trengrove und ihrem Eheman, dem Architekten John Trengrove, haben hier ihren Traum Wirklichkeit werden lassen und ein Gesamtkunstwerk geschaffen.



 
Auch botanische Raritäten sind zu entdecken, wie z.B. Ulmus carpinifolia variegata, die in Europa heimische Feldulme, die infoge des Ulmensterbens hier fast nicht mehr ausgewachsen vorkommt. In Ohinetahi steht sie ausgewachsen und sogar variiert mit cremeweiß gesprenkelten Blättern!

 
 
Treppenaufgang mit Formschnitt Buchsbäumchen
Geht man nun weiter bergan auf der Querachse, dann kommt man über den Fahrweg, auf dem wir angekommen sind, zu einer Treppenanlage, die mit Formschnitt Buchsfiguren, ähnlich denen in Great Dixter, und einem modernen Kunstwerk abgeschlossen wird. In einem dreieckigen Grundriss, der zwischen der Treppe, dem Gemüsegarten und dem Fahrweg gefangenen ist, haben die Gartengestalter vor kurzem, auch gerade im Hinblick auf die in Mode gekommenen neuseeländischen ´native plants`, ein Formschnitt-Beet mit vier verschiedenfarbigen einheimischen Buscharten wie z.B. Corokia spp. angelegt. In einem  mäandernden, kunstvoll geschnittenen, modernen Muster verschränken sich verschiedene Blattfarben und Buschformen miteinander. Geniales Design auf schwierigem Grundriss.
Moderne Heckenskultpur mit einheimischen neuseeländischen Büschen
 u.a. Corokia cotoneaster
 
 
Geht man den ganzen Weg nach unten zurück, kommt man über die Hauptachse vorbei zu einer Hängebrücke, die die Querachse fortführt und auf die andere Seite des Gartens über ein kleines, schattiges Tal führt. Das Tal wird links von einem Weg begleitet und ist naturnah mit einheimischen Pflanzen gestaltet und am Ende mit einem kleinen aufgestauten Teich versehen. Dort gibt es dann auch eine Hosta-Sammlung und riesige Gunnera manicata, die zurück in den formellen Garten überleiten.  
Hängebrücke über Seitental
Weg ins Tal


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nach der Brücke rechts kommt man zunächst durch die Sammlung einheimischer Pflanzen und einen kleinen Wald. Am Ende dieses Weges steht unverhofft auf einem elliptischen Grundriss ein nach Maori Art geschnitzter Holzbalken aufrecht da, den man umrunden muss, um dahinter dann einen weiteren Höhepunkt des Gartens zu entdecken. Einen vom Wald gerahmten Ausblick auf die Govenors Bay mit einem Geländer, das wie an einem Schiffsbug spitz zuläuft. Farben und Formen sind so beeindruckend, dass es lange braucht, bis man sich satt gesehen hat und sich aus diesem Eindruck lösen kann.
Endpunkt des Rundgangs mit Kunstwerk
und blühender Cordyline australis
Ausblick auf Bay über Schiffsreling

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zurück über die Brücke kommt man wieder zum Rasen. Dort findet man eine formale Sitzbank mit flankierenden roten Granitsäulen, die den Rasenraum abschließt und zum Rosengarten überleitet. Dieser zitiert nochmals die europäische formale Gartentradition und verknüpft den Raum zwischen Haus, Galeriegebäude und Rasen genial. 

 

Bank mit roten Granitsäulen und zwei gelb belaubten Robinia pseudoacacia 'Frisia'

 
 
 
Rosengarten mit Bergblick
Formaler Teich
Die in weiß und creme gehaltenen Rosenbeete sind durch schmale Wege erschlossen und stehen auf rechteckigen Grundrissen. Buchshecken mit rechteckigen und kugelförmigen Ecken und die Backsteinwege bilden ein regelmäßiges Muster. Mit dem anschließenden formalen Teich wird der Rosengarten aufgelockert und bekommt durch den kleinen Brunnen Leben.

Rosengarten mit Gästehaus



 
 

Veranda mit Corokia Hecke
(corokia x virgata 'geenty's green')
Interessant ist auch die umlaufende Sockelbepflanzung der Veranda mit einer silberblättrigen Corokia, die das Haus mit dem Garten wunderschön verbindet und einen natürlichen Übergang der Baumasse zum formellen Rosengarten bildet.
 
 
 
 
 
 

 
 
 
Amphitheater mit alten Haussteinen
Geht man weiter weg vom Haus zum neuen Teil des Gartens, der nach dem schweren Erdbeben von 2010 errichtet wurde, sieht man zunächst eine in fließenden Linien gehaltene, moderne Bepflanzung aus neuseeländischen Büschen und mehrjährigen Stauden. Darin eingebettet wurde ein Amphitheater, das mit den schönen beigen Sandsteinen des Landhauses gebaut wurde. Die Steine stammen vom im letzten großen Erdbeben teilweise eingestürzten Haupthaus, das nur bis zum ersten Stock wieder aufgebaut wurde. Die Steine blieben übrig und fanden eine neue Verwendung. Der Blick schweift über die Governors Bay und die Farbenpracht umher. Zurück am Haus ist man beeindruckt und reiht den Garten ein in die Liste der bedeutendsten Gärten der Welt.

Der Garten ist unbedingt eine Reise wert. Wegen der Staudenbeete ist ein Besuch im neuseeländischen Sommer, also von November bis Februar, am eindrucksvollsten. Meine Besuche waren am 11.1. und 7.2.2014.
 


Abschied mit Blick auf Govenors Bay
 

Mittwoch, 27. August 2014

Native Botanic Garden Wellington - Otari Wiltson´s Bush, Wellington, Neuseeland

Eingangstor Otari Wiltson´s Bush
Der Native Botanic Garden -  Otari Wiltson´s Bush von Wellington liegt etwas abseits des historischen botanischen Gartens, ca. 5 km von diesem entfernt.  Wellington wurde Mitte des 19. Jahrhunderts an einem natürlichen Hafenbecken gegründet und liegt unmittelbar an den Hängen eines subtropischen Waldes. Natürlich durfte es an einem botanischen Garten nicht fehlen, der direkt nach der alten Stadtgrenze im 19. Jahrhundert bergan gebaut wurde. Als sich die Stadt erweiterte und über die Hänge nach oben wuchs, war der alte botanische Garten plötzlich innerhalb der Stadt und liegt noch heute wunderschön oberhalb der Metropole mit Blick auf die Bucht. Wir wollen jedoch in den jungen Ableger dieses historischen  botanischen Gartens.

 
 
Blick von den Hügeln hinab auf Wellington
Wir fahren deshalb durch einen Tunnel, der die erste Stadterweiterung um die Jahrhundertwende  zum 20. Jahrhundert ermöglichte und die Stadt einfach in das nächste Tal und dort die Hänge hinauf expandieren ließ. Nach einer kurvenreichen Fahrt durch Suburbs, taucht auf der rechten Seite ein kleiner Parkplatz auf. Auf Maori Art geschnitzte hölzerne Pfosten zeigen den Weg zum Eingang. Der Park ist an einem steilen Hang hinab und dazu noch über ein Seitental hinweg angelegt. Eine private Stiftung des Naturenthusiasten Mr. Wiltson. Als dieser Ende des 19. Jahrhunderts erkannte, dass viel natürlicher Wald verschwinden würde, kaufte er das Tal und erhielt einen Teil des Waldes. Der Park ist zunächst  in einen Waldnaturlehrpfad mit vorbildlicher Beschriftung aufgeteilt und beherbergt dann eine auf dem anderen Hügel gelegenen Sammlung einheimischer Pflanzen aus verschiedenen Habitats Neuseelands. Darüber hinaus wurde ein großer natürlicher Wald im angrenzenden Tal erhalten und ist durch Wege nach unten erschlossen.

riesiger Rata Baum
Betrachten wir zunächst den Waldlehrpfad, der durch einen Podocarp Wald mit allen darin befindlichen Wald- und Buschschichten führt. Die Beschriftung ist sehr lehrreich und führt den Besucher in den neuseeländischen Urwald. Es werden alle wesentlichen botanischen Besonderheiten der Nordinsel gezeigt. Besonders beeindruckend sind ausgewachsene Farnbäume und riesige Metrosiderus robusta, in Mauori Sprache: Rata und Podocarpus totara, in Mauori Sprache: Totara.
 
 
 
 
 

Der Garten hat eine Sammlung von allen neuseeländischen Farnen und Baumfarnen, die bis zu 20 Meter Höhe erreichen können!



















Für Europäer beeindruckend hohe Exemplare stehen als Allee am Wegesrand.
 
  
 
Pseudowintera ´Red Leopard` und Pittosporum ´Golf Ball`
 und Hebe ´Emerald Gem` in Formschnitt
Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde dann ein hoher Steg zwischen den beiden oberen Teilen errichtet, der über das Seitental einen Zugang zum zweiten Teil des Gartens, der Sammlung einheimischer Pflanzen bietet. Teilweise sieht man vom Steg auch in die Baumkronen und weit ins Tal, was an Kew Gardens in London und den dortigen Canapee Walkway erinnert. Der in seiner Größe übersichtliche Garten ist sehr schön angelegt und bietet eine gute Übersicht über neuseeländische Pflanzen.
 
 
 
Formale Elemente der Sammlung, insbesondere der Rock Garden und der rechteckige Rasen dazwischen, überzeugen und führen zu einem schönen Ausblick auf das Tal und den gegenüberliegenden Wald, der teilweise mit Piniengehözen aus dem Mittelmehrraum  bepflanzt ist und so unmittelbar die Ablösung und Vernichtung des native forest unmittelbar vor Augen hält.
 
 
 

Von rechts: Matthias Spall, John Dawson
Der Höhepunkt meines Besuchs war ein Treffen mit dem Botaniker und Buchautor John Dawson, 86 Jahre alt, der mir eine persönliche Führung durch seinen Heimatgarten gab.  John erklärte mir auf meine Frage wegen der vielen ähnlichen Pflanzen mit unterschiedlichen Genera in Neuseeland, dass auch er (!) manchmal  beim Benennen einer Pflanze unschlüssig sei. Denn die Anpassungen der verschiedene Pflanzenfamilien an Ihre Umgebung verliefen ähnlich, was das Rätselraten im Bush Neuseelands immer wieder spannend macht. Ist das jetzt eine Elingamita johnsonii oder eine Corynocarpus laevigatus? In diesem Fall verraten die gelben Stomata (Spaltöffnungen an den Blattunterseiten) die Lösung und deuten auf eine Elingamita hin, obgleich die Blätter ansonsten zum Verwechseln ähnlich sind! Johns Bücher, wie z.B. der Field Guide To New Zealand´s Native Trees, sind sehr zu empfehlen und immer in meinem Wandergepäck! Thank you John!
Der Garten ist wegen seiner großen Bedeutung und zum Erlernen der neuseeländischen Flora das ganze Jahr über eine Reise wert. Definitiv einer meiner botanischen Lieblingsgärten! Mein Besuch war am 28.12.2014.

Montag, 18. August 2014

Giardini di Castel Gandolfo, Rom, Lazio, Italien

 
Castel Gandolfo
Wie schon Kaiser Domitian fährt man von Rom in die Albaner Berge und lässt die Stadt Rom mit all ihrer Hektik und der Hitze hinter sich. Und wie schon vor 2000 Jahren ist der kleine Ort Provinz, das Italien der Postkartenidylle mit einer kleinen Piazza vor der Kirche, der Café-Bar und der Trattoria mit Blick über den Kratersee.

Was haben bloß die Kaiser und später Ihre de facto Nachfolger, die Päpste, hier gesucht? Es liegt auf der Hand, dass das Mikroklima im Vergleich zu Rom viel angenehmer ist. Es weht ein leichter Wind auf dem Bergrücken, es ist etwas kühler wegen der Höhe und dem nahen Kratersee. Und natürlich ist Rom nahe und somit leicht erreichbar. Soweit zu den recht unspektakulären Beweggründen der Kaiser.



Unteres Parterre mit zwei Ebenen
Die Päpste haben dann im 17. Jahrhundert noch etwas anderes vorgefunden. Neben der Burg der Gandolfo, daher der Name, und dem kleinen Dorf haben sie noch die Grundmauern und die planierten Terrassen der ehemaligen riesigen Villenanlage des Kaisers Domitian erworben. Was lag also näher, als auf der anderen Seite des Dorfes und vom eigentlichen Castel nur um wenige hundert Meter getrennt, auf dem ehemaligen Bauplatz der kaiserlichen Villa einen Garten zu errichten. Papst Urban VIII entschied sich 1626 sich für ein barockes Design, das die ursprünglichen langen Linien des Bauplatzes der kaiserlichen Villa aufnahm und damit eine ideal proportionieren Abfolge von rechteckigen Gartenebenen schuf. Die langgestreckten Rechtecke des Gartens sind wie schwebende Elemente auf verschiedenen Höhen nebeneinander montiert und mit Treppenanlagen verbunden, die wie selbstverständliche alles elegant verbinden. Ein in sich ruhendes Platzkonzept. Fazinierend wahrzunehmen, wenn man vor Ort entlang läuft und das Gefühl für die Begrenzung von Raum verliert. 

 



















Zunächst einmal betritt man den Garten durch die kleine Villa Barberini und geht eine lange von Korkeichen gesäumte Rampe hinauf auf das obere Plateau. Als Blickpunkt dient eine kleine Brunnenanlage, die Orientierung für den Beginn des Gartens gibt. Links steht ein altes Amphitheater aus der Kaiserzeit und rechts geht gleich nach dem Brunnen das langestreckte obere Parterre los. Eine mehrere hundert Meter lange und ca. 5 Meter hohe Stützmauer begrenzt diese Ebene links zum Berg hin und eine ebensolche Mauer stützt die Terrasse auf der vollen Länge rechts. Die Päpste haben in der Mauer zum Berg alte Marmorfragmente und wiedergefundene Statuen eingelassen und aufgstellt und erinnern so an die vorherige Nutzung in der Antike als Zentrum des Römischen Reiches.



Oberes Parterre mit Pinus pinea
Drei Wege ziehen sich parallel durch das lange Rechteck an den Mauern und in der Mitte entlang. Und werden in mehrere Male nach ca. 50 metern mit Querwegen verbunden. Ein klassisches Raster, das wegen der schieren Länge der Anlage endlos wirkt. Die Bepflanzung ist neben dem fomalem Buchsheckenrahmen, der sämtliche Wege umbibt, ungleichmäßig mit Pinien (Pinus pinea), Zypressen (Cypressus sempervirens)  und Steineichen (Quercus ilex) einfach gehalten. Horizontale (Zypressen) und vertikale (Pinien) Wuchsfommen werden mit den runderen Formen der Eichen ausbalanciert.







 



 

Mutter Gottes Heiligtum
Am Ender der Anlage geht der mit einem herrlichen antiken Steinmuster gefasste Mittelweg einfach weiter und führt etwas ansteigend in einen offenen, rechteckigen Ruinenraum, der zentral von einer Mutter Gottes Statue in einem steinernen Rahmen dominiert wird und davor ein kreuzförmiges Wasserbecken mit Wasserlilien und Goldfischen zeigt. Die Päpste haben hier ein open-air Marienheiligtum eingerichtet, das in die antiken Grundmauern der kaiserlichen Villa eingepasst wurde und den Päpsten bis Benedikt XVI. als Andachtsraum diente. Der kontemplative Raum strahlt eine besondere Geschlossenheit und Ruhe aus. Die Zeit scheint hier still zu stehen.








Geht man zurück zum oberen Parterre und dann links zur Talseite hin, dann eröffnet sich ein kleineres Rechteck, das an das lange obere Parterre anstößt und zum Tal hin führt. Es handelt sich um eine Treppenanlage mit Terrasse mit zwei Funktionen. Zum einen verbindet sie den oberen Gartenteil mit dem unteren Parterre, das parallel zum oberen läuft. Mehr dazu gleich.


Treppenanlage von oben mit Talblick auf Ehrenhof
Und zum anderen gibt sie durch ihre Aussichtsplattform einen Blick auf das Tal in Richtung Rom frei und lässt den darunter liegenden Ehrenhof mit antikem Kaiserstandbild und umlaufenden Hecken überblicken. Dieses Reiterstandbild steht auf der unteresten Ebene der geschickt miteinander verzahnten rechteckigen Grundrisse des Gartens und zeigt zum Tal hin. Jedoch ist das Tal durch eine umlaufende Hecke verdeckt und nur durch in die Hecke geschnittene Bögen zu sehen. Der Garten bleibt hier geschützt und konzentriert auf das antike Reiterstandbild.



An einer anschließenden seitlichen Böschung läuft der Garten zu den Steineichen und Olivenhainen aus und zeigt mit einer englisch anmutenden und auf verschiedene Laubfarben konzentrierten Bepflanzung einen modernen Übergang zur umgebenden Landschaft. 











Treppenanlage von unten
Kommen wir aber zurück zum Treppenbau oberhalb des Ehrenhofes. Der Treppenbau ist nach beiden Seiten herrlich mit steinernen Geländern eingefasst und führt auf jeder Seite mit herrlichen Stufen nach unten. Zwei Brunnen begleitenden Weg. Außergewöhnliche Steinmetzarbeiten, verschiedenfarbige Steine und Backsteine in wunderschönen Mustern verlegt und miteinander verwoben, sind zu bestaunen. Es ist ein Erlebnis diese Treppenanlage zu benutzen. Besser wäre wohl zu sagen: Es ist ein Erlebnis diese Treppenanlage zu beschreiten.


Unten angekommen, steht man zunächst auf dem langgestreckten zweiten Parterre, das mit einem formalen Buchsheckenmuster in Form von gotischen Deckengewölben gestaltet ist. Zwischenräume sind mit bunten einjährigen Pflanzen ausgefüllt. Nach ca. 2/3 der vollen Länge geht dann eine weitere Treppenanlage auf eine weitere, etwas tiefere Ebene hinab. Die Fläche wird im gleichen Design und der gleichen Farbenauswahl weitergeführt, jedoch mit Rasenflächen und figuralen Buchshecken- und Blumenmustern, die u.a. auch das päpstliche Wappen zeigen.


Zweites Parterre, hinterer Teil
Zweites Parterre, vorderer Teil














Das Auge schweift so entlang und ist gefangen in diesem Design. Farbe und Form in klassischer Vollendung. Wichtig ist auch der Rhythmus der Anlage. Zum einen gibt die Größe des Musters der Buchshecken einen Maßstab vor.


Zweites Parterre, hinterer Teil mit Wappenmuster
Der Rhythmus wird dann aufgenommen durch die Terrakottatöpfe auf der linken Balustrade und durch die Mauernischen in der Wand zum Berg hin. Vielfältig wird dies zitiert z.B. auch durch die regelmäßige Bepflanzung der Wand mit Kletterrosen und sogar mit im Paar gepflanzten Zypressen die alle 10 Meter wiederholt werden. Das alles spilet sich dann auf einer mehrere hundert Meter langen Fläche ab.


Ende der Sichtachse des zweiten (unteren) Parterres

Am Ende dieser Sichtachse ist dann das große Finale dieses unteren Parterres gestaltet. Mit einer Zypressenwand wird hinter einem Kaiserstandbild säulenartig der Raum abgeschlossen und die Blicke nach oben weitergeleitet. In das Blau des Himmels.


 




Magnolia grandiflora
Danach geht man durch eine kleinen bezaubernden Gartenraum mit einer in Form geschnittenen Magnolia grandiflora. Dort sieht man einen ruhigen Teich um einen nackten Faun und einen kleinen formalen Garten, als Nachhall auf das zuvor gesehene. Es geht vorbei an den offenen Werkstätten der Gärtner die Treppe hinauf zum Anfang des oberen Parterres und der Rampe, die aus dem Garten herausführt in die Welt zurück, wie wir sie kennen.




Der Graten wurde erst durch Papst Franziskus vor wenigen Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und muss unter Namensangabe online gebucht werden, da der Garten vatikanisches Territorium ist und nicht zu italienischem Staatsgebiet gehört. Ein Ausweis ist mitzubringen! Ein Besuch lohnt sich wegen der bunten Bepflanzung besonders im Sommer, aber ist natürlich wegen der immergrünen Vegatation das ganze Jahr über von Interesse. Mein Besuch war am 02. August 2014.

Bachus/Faun im Brunnen