Aber was hat es mit Garten auf sich? Zunächst einmal ist das
gesamte Projekt erstaunlich. Die Betreiber einer international renommierter Kunstgalerie
aus London Hauser & Wirth verlieben
sich in eine Farm am Rande der kleinen idyllischen Ortschaft Burton in
Somerset, England und beschließen, das Ganze als Galeriestandort zu entwickeln.
Sie renovieren die Farmgebäude, ergänzen einige Ausstellungshallen und laden den international renommierten Gartendesigner Piet Oudlof 2013 ein,
ein großes Feld hinter der Farm zu gestalten.
Oudolf ist weltbekannt u.a. wegen seines wegweisenden
innerstädtischen Gartenprojekts High
Line in New York City, USA. Dort hat er eine stillgelegte Hochbahn auf über einer Meile Länge in einen schwebenden Garten verwandelt und transportiert den Bewohnen dort Grün
in ihre Stadt. Ein aufregendes Projekt, auch weil es viele Kontraste zwischen
Urbanität und einer natürlich aussehenden, aber dennoch künstlichen Gartenwelt enthält.
Nicht minder kontrastreich ist der neue Garten in Somerset,
der am 14.09.2014 eröffnet wurde. Obwohl von wunderschönen Feldern umgeben,
gelingt es Oudolf auch hier, einen starken Kontrast zu erreichen. Hierzu tritt
er in Diskurs, oder sollte ich sagen in Konflikt, mit der englischen Gartentradition. Er stellt der
natürlichen Landschaft seinen natürlichen Stil entgegen, der alles andere als
zufällig ist. Denn Oudolf gelingt es nach Auflösung der eher formalen
englischen Gartendesignsprache eine neue Sprache zu finden, die modulare Elemente
repetiert.
Er komponiert in natürlich geschwungenen Formen und Linien. Damit perfektioniert
und überhöht er eine natürliche Linienführung. Er erreicht eine neue
Geschlossenheit seiner Gartendesignsprache, was dann verblüffenderweise wieder etwas Formales hat. Wenngleich diese Formalität
locker und fließend daherkommt.
Den Garten betritt man aus den Galeriegebäuden kommend eher unauffällig und findet sich zunächst auf einem grünen Rasen wieder, der zum
Garten überleitet. Kurvenreiche Kieswege nehmen den Besucher auf und führen
durch die Beetmodule zur Mitte des Gartens, die durch eine überdimensionale Uhr
und einen Teich definiert wird. Dort beginnt ein
mäandernder Kiesfluss, der durch das Pflanzenmeer führt und mit
kleinen Grassinseln besetzt ist. Das Muster dieser Komposition ist besonders schön ausgestaltet und erinnert an
eine organische Zellstruktur. Der Grundriss bleibt auch nicht verborgen, denn durch
das ansteigende Gelände ist alles leicht geneigt und offenbart seine hinreißend
schönen Grundformen.
Ganz nebenbei erfindet Oudolf das Gartenparterre der
Niederländer neu. Er umgibt den rechteckigen etwas ansteigenden Gartenraum mit
einer Hecke (oder lässt diese von der vormaligen landwirtschaftlichen Nutzung
stehen) und gliedert den Raum dazwischen mit einem elegant und organisch fließenden Grundriss aus Beeten. Die mit
Stahlkanten gerahmten Beete sind leicht hügelig angelegt. Dies ist umso wichtiger als Oudlolf auf große
Pflanzen, die ins Auge fallen würden, verzichtet und die Bepflanzung meist in
einer Höhe von 30 – 50 cm hält. Das Fließen der Bepflanzung ergibt sich dann automatisch
aus dem geringen Höhenunterschied der Wuchshöhe und den leichten Erdhügeln, die
die Beete durchziehen und meistens in der Mitte etwas höher sind. Ein
natürliches Wogen der Bepflanzung wird erreicht. Nichts sticht heraus, alles
ist miteinander verwoben. Stellt man sich jedoch näher heran und schaut genauer in die
Beete, sind dort eine Vielfalt von Blatt- und Blütenfarben, von Formen und Farben
enthalten. Der Gartenführer weist 115 verschiedene Spezies aus, insgesamt
wurden 26.000 Pflanzen gesetzt.
Besucher findet in dieser Masse immer eine zufällige Blüte,
eine besondere Schönheit des Tages. Es ergibt sich, wohl auch zufällig, immer
ein interessanter Nachbarschaftskontrast. Schöne abgeblühte Pflanzenteile
werden stehe gelassen. Im Winter sieht man dann verzauberte Strukturen mit Eis
und Schnee. Der Garten soll damit einen natürlichen Rhythmus erzählen. Wie auch
die übergroße Uhr im Garten, die vernehmlich laut tickt und den Zeitablauf und
die Vergänglichkeit des Gartens noch betont. Alles hier Gezeigte ist eine
Momentaufnahme. Gerade der Staudengarten ist in seiner Schönheit kurzlebig und nur
6 Monate im Jahr wirklich sichtbar, denn im Winter ziehen sich die
mehrjährigen Staudenpflanzen größtenteils unter die Erde zurück. Ein leerer, ja
skelettierter Garten im Winter, ein üppiger lebendiger Garten im Sommer. Werden
und Vergehen, die Uhr tickt.
Oudolf erreicht mit seinem Staudengarten eine
Geschlossenheit der Komposition und eröffnet gleichzeitig Weite durch die
Offenheit des Feldes, auf dem sich sein Stauden-Parterre befindet und durch die
Blicke, die sein Garten nach oben, in die Ferne du ins Innere des Besuchers
freigibt. Ein endloser Naturraum entsteht, der sich mit der Landschaft daneben verknüpft.
Ein Ideal der Gartenschöpfung wird erreicht.
Oudolf geht wie ein Maler heran. Seine ausgestellten Skizzen
und Zeichnungen zum Garten zeigen verschiedenfarbig gemalte Legenden, für jede
Pflanze eine andere Chiffre. Er zeichnet
und komponiert mit Farben und Formen. Er erfindet Pflanzengemeinschaften und mischt
verschiedene Spezies, wie z.B. Echinachea pallida und Stipa tenuissima (Frauenhaargrass) (70%
+ 30%). Dies alles erinnert an einen Malprozess und zeigt den künstlerischen
Ansatz.
Besonders schöne Pflanzengemeinschaftes erfindet Piet Oudolf
in den Beeten 5, 6 und 7. Er streut ab und zu ein Pennisetum alopecuroides var. viridescens (Federborstengrass)
ein und zeigt sein durchgängig wiederholtes Sedum
´Matrona` neben dem gelb blühenden Achillea
´Credo`. Die Farbpalette ist bunt, einen Farbenplan konnte ich nicht
erkennen. Manchmal stößt denn auch das Konzept an seine Grenzen, wenn die Randbepflanzung
zu hoch ist und den Blick unter die nackten Stauden erlaubt, oder wenn Farben nicht
harmonieren. Meiner Meinung nach stört das oft zu sehende Helenium ´Moerheim` mit seinem Orangerot das bunte Farbenmeer.
Ein Besuch ist besonders im Sommer und Herbst zur Blütezeit
der Stauden interessant. Aber auch im Winter dürften der Grundriss und die Landschaft
große Reize haben. Mein Besuch war am 28.09.2014.