Donnerstag, 9. Oktober 2014

Oudolf Field, Durslade Farm, Burton, Somerset, England - Die Neuerfindung des Gartenparterres

Sogar der Guardian schreib in seiner vor kurzen veröffentlichen Online-Ausgabe vom Ereignis der Gartensaison in England, der Neueröffnung eines Gartens auf dem flachen Land oder besser gesagt in der wunderschönen Hügellandschaft von Somerset. Siehe weblink: 

Aber was hat es mit Garten auf sich? Zunächst einmal ist das gesamte Projekt erstaunlich. Die Betreiber einer international renommierter Kunstgalerie aus London Hauser & Wirth verlieben sich in eine Farm am Rande der kleinen idyllischen Ortschaft Burton in Somerset, England und beschließen, das Ganze als Galeriestandort zu entwickeln. Sie renovieren die Farmgebäude, ergänzen einige Ausstellungshallen und laden den international renommierten Gartendesigner Piet Oudlof 2013 ein, ein großes Feld hinter der Farm zu gestalten.
Oudolf ist weltbekannt u.a. wegen seines wegweisenden innerstädtischen Gartenprojekts High Line in New York City, USA.  Dort hat er eine stillgelegte Hochbahn auf über einer Meile Länge in einen schwebenden Garten verwandelt und transportiert den Bewohnen dort Grün in ihre Stadt. Ein aufregendes Projekt, auch weil es viele Kontraste zwischen Urbanität und einer natürlich aussehenden, aber dennoch  künstlichen Gartenwelt enthält.

Nicht minder kontrastreich ist der neue Garten in Somerset, der am 14.09.2014 eröffnet wurde. Obwohl von wunderschönen Feldern umgeben, gelingt es Oudolf auch hier, einen starken Kontrast zu erreichen. Hierzu tritt er in Diskurs, oder sollte ich sagen in Konflikt,  mit der englischen Gartentradition. Er stellt der natürlichen Landschaft seinen natürlichen Stil entgegen, der alles andere als zufällig ist. Denn Oudolf gelingt es nach Auflösung der eher formalen englischen Gartendesignsprache eine neue Sprache zu finden, die modulare Elemente repetiert.
 
Er komponiert in natürlich geschwungenen Formen und Linien. Damit perfektioniert und überhöht er eine natürliche Linienführung. Er erreicht eine neue Geschlossenheit seiner Gartendesignsprache, was dann verblüffenderweise wieder etwas Formales hat. Wenngleich diese Formalität locker und fließend daherkommt.

Den Garten betritt man aus den Galeriegebäuden kommend eher unauffällig und findet sich zunächst auf einem grünen Rasen wieder, der zum Garten überleitet. Kurvenreiche Kieswege nehmen den Besucher auf und führen durch die Beetmodule zur Mitte des Gartens, die durch eine überdimensionale Uhr und einen Teich definiert wird. Dort beginnt ein  mäandernder Kiesfluss, der durch das Pflanzenmeer führt und mit kleinen Grassinseln besetzt ist. Das Muster dieser Komposition ist besonders schön ausgestaltet und erinnert an eine organische Zellstruktur. Der Grundriss bleibt auch nicht verborgen, denn durch das ansteigende Gelände ist alles leicht geneigt und offenbart seine hinreißend schönen Grundformen.




 
Ganz nebenbei erfindet Oudolf das Gartenparterre der Niederländer neu. Er umgibt den rechteckigen etwas ansteigenden Gartenraum mit einer Hecke (oder lässt diese von der vormaligen landwirtschaftlichen Nutzung stehen) und gliedert den Raum dazwischen mit einem elegant und organisch fließenden Grundriss aus Beeten. Die mit Stahlkanten gerahmten Beete sind leicht hügelig angelegt.  Dies ist umso wichtiger als Oudlolf auf große Pflanzen, die ins Auge fallen würden, verzichtet und die Bepflanzung meist in einer Höhe von 30 – 50 cm hält. Das Fließen der Bepflanzung ergibt sich dann automatisch aus dem geringen Höhenunterschied der Wuchshöhe und den leichten Erdhügeln, die die Beete durchziehen und meistens in der Mitte etwas höher sind. Ein natürliches Wogen der Bepflanzung wird erreicht. Nichts sticht heraus, alles ist miteinander verwoben. Stellt man sich jedoch näher heran und schaut genauer in die Beete, sind dort eine Vielfalt von Blatt- und Blütenfarben, von Formen und Farben enthalten. Der Gartenführer weist 115 verschiedene Spezies aus, insgesamt wurden 26.000 Pflanzen gesetzt.

Besucher findet in dieser Masse immer eine zufällige Blüte, eine besondere Schönheit des Tages. Es ergibt sich, wohl auch zufällig, immer ein interessanter Nachbarschaftskontrast. Schöne abgeblühte Pflanzenteile werden stehe gelassen. Im Winter sieht man dann verzauberte Strukturen mit Eis und Schnee. Der Garten soll damit einen natürlichen Rhythmus erzählen. Wie auch die übergroße Uhr im Garten, die vernehmlich laut tickt und den Zeitablauf und die Vergänglichkeit des Gartens noch betont. Alles hier Gezeigte ist eine Momentaufnahme. Gerade der Staudengarten ist in seiner Schönheit kurzlebig und nur 6 Monate im Jahr wirklich sichtbar, denn im Winter ziehen sich die mehrjährigen Staudenpflanzen größtenteils unter die Erde zurück. Ein leerer, ja skelettierter Garten im Winter, ein üppiger lebendiger Garten im Sommer. Werden und Vergehen, die Uhr tickt.

Oudolf erreicht mit seinem Staudengarten eine Geschlossenheit der Komposition und eröffnet gleichzeitig Weite durch die Offenheit des Feldes, auf dem sich sein Stauden-Parterre befindet und durch die Blicke, die sein Garten nach oben, in die Ferne du ins Innere des Besuchers freigibt. Ein endloser Naturraum entsteht, der sich mit der Landschaft daneben verknüpft. Ein Ideal  der Gartenschöpfung wird erreicht.
Oudolf geht wie ein Maler heran. Seine ausgestellten Skizzen und Zeichnungen zum Garten zeigen verschiedenfarbig gemalte Legenden, für jede Pflanze eine andere Chiffre.  Er zeichnet und komponiert mit Farben und Formen. Er erfindet Pflanzengemeinschaften und mischt verschiedene Spezies, wie z.B.  Echinachea pallida und Stipa tenuissima (Frauenhaargrass) (70% + 30%). Dies alles erinnert an einen Malprozess und zeigt den künstlerischen Ansatz.
Besonders schöne Pflanzengemeinschaftes erfindet Piet Oudolf in den Beeten 5, 6 und 7. Er streut ab und zu ein Pennisetum alopecuroides var. viridescens (Federborstengrass) ein und zeigt sein durchgängig wiederholtes Sedum ´Matrona` neben dem gelb blühenden Achillea ´Credo`. Die Farbpalette ist bunt, einen Farbenplan konnte ich nicht erkennen. Manchmal stößt denn auch das Konzept an seine Grenzen, wenn die Randbepflanzung zu hoch ist und den Blick unter die nackten Stauden erlaubt, oder wenn Farben nicht harmonieren. Meiner Meinung nach stört das oft zu sehende Helenium ´Moerheim` mit seinem Orangerot  das bunte Farbenmeer.
Ein Besuch ist besonders im Sommer und Herbst zur Blütezeit der Stauden interessant. Aber auch im Winter dürften der Grundriss und die Landschaft große Reize haben. Mein Besuch war am 28.09.2014.

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